|
Die Salzburger Festspiele des Jahres 1971
waren eben erst eröffnet worden, als die Nachricht vom Tod ihres Präsidenten
Bernhard Paumgartner um die Welt ging: Am Abend des 27. Juli – während
die Premiere von Alban Bergs „Wozzeck“ im Großen Festspielhaus
in Szene ging - war Paumgartner im 84. Lebensjahr in Salzburg gestorben.
Seit Wochen war seine Gesundheit angegriffen gewesen, es war „das
langsame Erlöschen einer Physis, deren innere Lebensfülle aus
über acht Jahrzehnten Erfahrung, Mitteilung und eigener origineller
Leistung geschöpft hatte, ohne bis nahezu ans Ende merklich zu ermüden,
ja ohne mit dem patriarchalischen Alter das Prinzip der Jugend einzubüßen:
die Bereitschaft, immer Neues anzufangen, zugleich mit Begeisterung zu wecken“
(Max Kaindl-Hönig). Mehr als ein halbes Jahrhundert lang hatte Paumgartner
die kulturelle Physiognomie und den Stellenwert der Musikstadt Salzburg
entscheidend geprägt – so sehr, dass seine Ideen und sein Wirken
noch in der Generation danach lebendig sind. |
Bernhard Paumgartner, geb. am 14. November 1887 in Wien, entstammte
einer Künstlerfamilie: Der Vater, Dr. Hans Paumgartner, war Pianist,
Komponist und Musikschriftsteller, die Mutter die bekannte Kammersängerin
Rosa Papier. Nach Absolvierung der juridischen (Promotion 1911) und musikalischen
Studien (u.a. bei Bruno Walter) arbeitete Paumgartner als Solokorrepetitor
an der Wiener Staatsoper, leitete 1914 – 1917 die Wiener Tonkünstler
und lehrte an der Wiener Musikakademie Partiturspiel. 1917 wurde er nach
Salzburg berufen und übernahm die Leitung des Mozarteums. Vier Jahrzehnte
lang – außer unter der Herrschaft des Faschismus – war
Paumgartner Direktor dieser Institution. Mit Max Reinhardt war er einer
der Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Von 1920, vom ersten „Jedermann“
an, zu dem Paumgartner gemeinsam mit Einar Nilson die Bühnenmusik schrieb,
war er ein um- und einsichtiger Sachwalter der Festspiel-Idee. Mit untrügerischem
Sinn für alles Theatralische erschloss er dem Publikum Mozarts Jugendopern
im Hof der Residenz, richtete sie szenisch und musikalisch ein, initiierte
die Mozart-Serenaden und –Matineen und machte als Dirigent mit seiner
wichtigsten Ensemblegründung, der Camerata Academica des Mozarteums,
seinen legendären Mozartstil der Musikwelt bekannt. |
|
In all den Jahren hat Bernhard Paumgartner auch als Hochschullehrer,
als Schriftsteller, als Komponist, Herausgeber, Übersetzer und Bearbeiter
gewirkt, Forschung – im besonderen Mozart-Forschung – betrieben
und zahlreiche weitere Initiativen für das Salzburger Musikleben gesetzt:
die Tradition von W.A. Mozarts Messe c-Moll in der Stiftskirche St. Peter,
die „Rappresentazione“ in der Felsenreitschule, danach in der
Universitätskirche, die Renaissance des Hellbrunner Steintheaters,
das „Fest in Hellbrunn“, die Musica aurea-Konzerte und das Musische
Gymnasium.
Doch die Aufzählung aller Verdienste reicht nicht aus, um die Einmaligkeit dieser Persönlichkeit zu begreifen, die in der Erinnerung lebt wie die Inkarnation einer Zeit, in der umfassende Bildung und profundes Wissen selbst über entlegene Sachgebiete eine Selbstverständlichkeit waren. „Wem die Gegenwart das einzig Gegenwärtige ist“, sagt Oscar Wilde, der „weiß nichts von der Zeit, in der er lebt“. Bernhard Paumgartner wusste um die Zeit, in der er lebte, ebenso um ihre historischen Bedingungen. Bereits zu seinen Lebzeiten verkörperte er ein Stück Musikgeschichte, das er uns in seinen Erinnerungen vermittelt.
|
|