Gert Fischer
Karl Löbl

 

Bernhard Paumgartner -
Ein Leben für die Musik und für Salzburg
1 CD Gramola 98737

 

Als BERNHARD PAUMGARTNER am 27. Juli 1971 gestorben war, resümierte der Salzburger Journalist Max Kaindl-Hönig: „Nun können wir den Polyhistor Salzburgs und der Festspiele nicht mehr fragen. Nun ist nur noch Musik. Nur noch Geschichte. Nur noch Dank. Und eine Art von Dauer, die es den Bewohnern dieser Stadt und ihren Freunden erlauben wird, zu sagen: „Das war zu Paumgartners Zeiten...“

Welche Zeit ist gemeint? Und wer war Paumgartner?

Er dürfte vielen Musikliebhabern von heute, die die Worte „Mozart“ und „Salzburg“ geläufig im Munde führen und sich auch noch zu „Hofmannsthal“ und „Max Reinhardt“ etwas denken können, nicht einmal mehr dem Namen nach bekannt sein. Dies, obgleich er Salzburg und der Welt Mozarts mehr als ein halbes Jahrhundert eines bedeutenden Lebens gedient hat.

BERNHARD PAUMGARTNER wurde am 14. November 1887 in Wien geboren. Er entstammte einer hochgebildeten Familie: Seine Mutter war die bedeutende Sängerin Rosa Papier-Paumgartner, die im Ensemble der Wiener Hofoper unter Gustav Mahler wirkte und später eine über Österreichs Grenzen hinaus hochangesehene Gesangspädagogin war. Der Vater, Dr. Hans Paumgartner, war Musikreferent der „Wiener Amtlichen Zeitung“ und ein enger Freund von Anton Bruckner, Johannes Brahms und Hugo Wolf. So wurde Paumgartner schon in seiner Jugend im ganz selbstverständlichen Umgang mit den bedeutendsten Persönlichkeiten des Wiener Kunstlebens geprägt von der kulturellen Atmosphäre jenes alten legendären „K. u. K.-Österreich“, die ein Leben lang seine Arbeit bestimmen sollte. Als Dirigent wurde Paumgartner Schüler Bruno Walters, als Jurist, als Kunst- und Musikwissenschaftler promovierte er an der Wiener Universität. Universell ausgerüstet tat er - mitten im ersten Weltkrieg - den Schritt von der Metropole in die Provinzialität der kleinen Stadt Salzburg, die damals noch nicht einmal ahnungsvoll das war, wozu sie im Laufe der Jahrzehnte werden sollte: Salzburg verdankt den Aufstieg seiner Geltung nicht zuletzt dem lebenslangen tatkräftigen Wirken BERNHARD PAUMGARTNERs! „Er blieb über ein halbes Jahrhundert lang im Schatten der schlagkräftigen Namen, war aber für dieses halbe Jahrhundert eine der Säulen, auf denen die Festspiele ruhten, eine der Konstanten, die sie als Substanz überhaupt nur möglich machten, und der vielleicht Einzige, dem es gelang, in seinen köstlichen Mozart-Serenaden und Matineen so etwas wie ein Salzburger Stammpublikum zu schaffen, das bescheiden (und unbescheiden) genug war, nach Salzburg vor allem zu Mozart zu kommen. (Helmut Reinold, 1981)

Vom allerersten Tag an war Paumgartner dabei, als die von Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss initiierte Idee Gestalt anzunehmen begann: in Salzburg Festspiele zu etablieren: Das erste Konzert der ersten Festspiele 1921 - mit einem aus Wiener Philharmonikern und Mitgliedern des Mozarteum-Orchesters gebildeten Ensembles - dirigierte kein anderer als Bernhard Paumgartner! „Wäre es nicht verboten, so etwas auf ein Denkmal zu schreiben, man müßte sagen, daß Paumgartner für die Festspiele Bier geholt hat, bevor er deren letzter großer Präsident geworden ist(„Die Presse“, Wien - 29.7.1971).

Ebenso wie einst seine Konzerte, vor allem die Mozart-Matineen und die Serenaden im Residenzhof (seit 1949), lassen auch seine überaus zahlreichen - heute gleichwohl fast völlig vergessenen - Schallplatteneinspielungen deutlich den „Salzburger Mozartstil“ erkennen, der zugleich Paumgartners „Personalstil“ war und getragen wurde von der Überzeugung und Erkenntnis, zum Musizieren Mozarts gehöre „vor allem Demut, die alle Eitelkeitsbestrebungen aus den menschlichen Bezirken des Künstlers fernhält, die vielgerühmte, „eigene Auffassung“ vor allem, das Streben nach absonderlichen Effekten und leerer Virtuosität. Mozart ist in dieser Beziehung besonders empfindlich... Die unbeschreibli-che Diskretion seiner Kunst im Orchester und auf der Szene nachzufühlen, ihre lächelnde, transzendente Unergründlichkeit, ihre Universalität und göttliche Selbstverständlichkeit in diesem Sinne inmitten unserer problemgeladenen Zeit ganz natürlich wirkend zu machen, ist, glaube ich, die edelste Aufgabe jedes heutigen Interpreten, vielleicht auch das, was man mit Beruhigung als den wahren „Mozart-Stil“ - wenn auch als wandelbarer Begriff verstanden - bezeichnen könnte“. (B. Paumgartner: „Erinnerungen“; Salzburg, 1969)

Bernhard Paumgartner nahm im europäischen Musikleben eine distinguierte Stellung ein. Grandseigneur auf verschiedenen Ebenen, so könnte man seine Persönlichkeit charakterisieren, in deren Wirken die Vielseitigkeit eines weit gespannten Bildungshorizontes ebenso zum Tragen kam wie die gezielte Forschung auf Spezialgebieten, zu denen außer dem großen Thema Mozart auch der italienische Barock gehörte. In ihm verbanden sich spontane künstlerische Aktion mit Organisation und Repräsentanz, strenge Wissenschaftlichkeit mit literarischem Ausdruck in fruchtbarster Weise“. (Karl Grebe)

Paumgartners bester Schüler am Mozarteum war HERBERT VON KARAJAN. Zum 80. Geburtstag huldigte er dem Jubilar, indem er sich zum Sprecher für alle Interpreten machte, die „in Berührung mit Dir, Deiner Interpretation der Kunst und in der Bereicherung und Erkenntnis aus Deinen Schriften Dir tiefen Dank schuldig und in aller Welt Deine Verehrer sind: wir alle können uns ein Vorbild an Deinem erfüllten Leben nehmen, das seine Harmonie im schönsten Ausgleich zwischen dem Wissen um die Musik und der Darstellung der Musik gefunden hat...

Dem großen Österreicher Bernhard Paumgartner schuldet die Nation den Dank des Nichtvergessens.“ So beschloß einst Rudolf Klein seinen Nachruf in der Österreichischen Musikzeitschrift. Daß es heute dennoch dringend vonnöten ist, neu und immer wieder an Paumgartner zu erinnern, seine Verdienste und seine überragende künstlerische Bedeutung auch den nachgeborenen Generationen zu Bewußtsein zu bringen, ist nur zwangsläufige Folge der Gesetzmäßigkeiten unserer immer schnelllebiger, oberflächlicher gewordenen Zeit. Die in Zusammenarbeit von ORF und GRAMOLA in Wien entstandene CD „BERNHARD PAUMGARTNER - EIN LEBEN FÜR DIE MUSIK UND FÜR SALZBURG“, deren Verwirklichung einer Schülerin Paumgartners, Frau Margarete Bietak in Wien, zu danken ist, vereint in ihrer Programmwahl in glücklichster Weise ein weitgefaßtes Spektrum der Charaktereigenschaften Paumgartners: Ausgehend von dem von ihm besonders geliebten, oft dirigierten und ebenso gern „zugegebenen“ „Col-legno-Marsch“ KV. 335 Nr. 1 erleben wir Paumgartner selbst als den charismatisch Vortragenden eines seiner zahlreichen Wort-Beiträge für Studio Salzburg: „Die Wandlung des Mozart-Stils im Laufe der Zeit“. Als hochbedeutend erweisen sich drei (z. T. Erst-)Einspielungen von Kammermusikwerken Bernhard Paumgartners! Ein Nachruf aus dem Munde Herbert von Karajans und der Mitschnitt einer Aufführung aus einem Paumgartner-Gedenkkonzert des Mozarteums (1981), Paumgartners „Concerto per voce, oboe, archi e cembalo“ auf Texte von Karl Heinrich Waggerl, bilden den Beschluß dieser „Entdeckungs-Edition“.

Die eine oder andere CD-Ausgabe mit Aufnahmen Paumgartners ist in den vergangenen Jahren dank der Initiative von Gottfried Kraus, dem ehem. Musikchef des ORF, bei ORFEO oder in Sonderauflage für die Freunde der Salzburger Festspiele zu verzeichnen gewesen. Zumeist handelte es sich dabei um Mitschnitte aus Matineen, aber auch um eine Aufführung der c-moll-Messe KV. 427 aus der Stiftskirche St. Peter. Wir dürfen für alle diese Veröffentlichungen dankbar sein, und doch geht ein besonderer Dank an Frau Bietak für die vorliegende Programmzusammenstellung, die es erstmals auch einem breiteren „Hörpublikum“ ermöglicht, sich mit unbekannten, noch nicht erschlossenen Seiten der künstlerischen Persönlichkeit Paumgartners vertraut zu machen. Dazu trägt auch das mit Kennerschaft und Wissen ums Wesentliche ausgezeichnet betextete und bebilderte Booklet bei.

Mit einem Wort: Dieser CD, die an einen Europäer im besten geistes- und musikgeschichtlichen Sinne erinnern will, kann nichts besseres gewünscht werden: möge ihr eine weite Verbreitung beschieden sein!

© 2001 - Gert Fischer


 

Sonntag, 05.08.2001
KULTUR_MEDIEN
KURIER 30
KLASSIK-DISCO
Salzburg von gestern
von Karl Löbl

 

Vor 30 Jahren ist Bernhard Paumgartner in Salzburg gestorben. Seit dem ersten „Jedermann“ 1920 war er bei den Festspielen mit dabei - als Dirigent und Mozartianer, als Ratgeber und Präsident. Dass die soeben veröffentlichte CD (Gramola/ORF) „Ein Leben für die Musik und für Salzburg“ betitelt wurde, ist nicht übertrieben.

 

Sie gilt vor allem dem Komponisten Paumgartner, der stets im Hintergrund blieb. Kammermusik und Lieder, zwischen 1914 und 1923 entstanden, schwanken zwischen Spätromantik und Expressionismus: Zeugnisse eines kultivierten Könnens, einer reichen Phantasie, einer sensiblen Melodik. Traditionalismus aus einer Zeit, in der dieses Diktum noch kein Schimpfwort war.

 

Dazu ein Mozart-Marsch und Paumgartners Gedanken über Mozart-Interpretationen, Karajans Gedenkworte am Grab und eine Waggerl-Vortonung aus dem Jahr 1957 - Paumgartners letzte Komposition. Gute Interpreten (von der Sima und Denisova bis Vegh und seiner Camerata) machen dieses Memorial zu einem unerwarteten Hör-Erlebnis.